W&P Kommentar
München, 29.01.2019

Künstliche Intelligenz: Entzauberung dringend notwendig!

Kommentar von Dr. Mathias Döbele, Senior Manager und Jean-Francois Pauly, Senior Manager bei Dr. Wieselhuber & Partner
Dr.-Ing. Mathias Döbele
Senior Manager 
Jean-Francois Pauly
Senior Manager 

Die Künstliche Intelligenz (KI) ist die wichtigste Universaltechnologie unserer Zeit. Wie frühere Universaltechnologien – etwa die Dampfmaschine oder die Elektrizität – wird sie die heutige Wirtschaft grundlegend verändern. Dies hat entscheidende Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und die Unternehmen in Deutschland. Deshalb auch die von der Bundesregierung jüngst vorgelegte Strategie, Deutschland zu einem weltweit führenden Standort für Künstliche Intelligenz ausbauen möchte. Entscheidend für das Gelingen dieses Vorhabens ist es jedoch, dass die Technologie schnell Einzug in die Unternehmen und Produkte erhält. Hierbei ist insbesondere der deutsche Mittelstand gefragt, der die neue Technologie und ihre Möglichkeiten schnell verstehen und in den Geschäftsalltag integrieren muss.

Stand, Bedeutung und Grenzen
Bereits seit den 1950er Jahren sprechen wir über Künstliche Intelligenz und seither gab es viele Prognosen, wann Computer in der Lage sein werden, bestimmte Handlungen zu erledigen, die bisher nur von Menschen beherrscht wurden. Dabei zeigt sich, dass diese Prognosen in den Anfangsjahren stets zu optimistisch waren, heute die tatsächliche Entwicklung jedoch oft deutlich schneller ist als vorausgesagt. Beispielsweise berechnete IBMs Deep Blue im Jahr 1997, 126 Millionen Stellungen pro Sekunde gegen den Schachweltmeister Garri Kasparow, um auf diese Weise herauszufinden, welcher Zug den wahrscheinlich positivsten Effekt auf den weiteren Spielverlauf hat. Diese beim Schach offensichtlich erfolgreiche Herangehensweise funktioniert bei dem alten chinesischen Strategiespiel Go nicht, da die Anzahl der möglichen Züge um Größenordnungen höher liegt. Noch im Jahr 2015 gingen Wissenschaftler daher davon aus, dass es in den nächsten zehn Jahren keinen Computer gibt, der Go-Champion wird. Bereits ein Jahr später präsentierte ein Team bei Google DeepMind ein Programm namens AlphaGo, das in der Lage sein sollte das Go-Spiel zu meistern. Dazu wurden ihm nicht die abstrakten Regeln und Gewinnstrategien des Spiels einprogrammiert, sondern er wurde darauf trainiert, sich diese Strategien selbst beizubringen – eine komplett andere Herangehensweise. Im März 2016 besiegte AlphaGo den bis heute möglicherweise besten menschlichen Go-Spieler aller Zeiten Lee Sedol.

Drei technologisch tief ineinandergreifende Trends, haben diese Entwicklung und praktische Anwendung von künstlicher Intelligenz ermöglicht:
  1. Die exponentiell steigende Rechenkapazität, u. a. durch leistungsfähigere Prozessoren für weniger Geld sowie Vernetzung in Cloud- und Edge-Computing.
  2. Die Entwicklung von Machine Learning (ML), und insbesondere Deep Learning (DL), d. h. die Fähigkeit von Maschinen ihre Leistung zu verbessern, ohne dass Menschen ihnen erklären müssen, wie das zu tun ist.
  3. Die digitale Erfassung und Speicherung von Daten, welche den Zugriff auf eine lange Datenhistorie (= Long Data) sowie die Verarbeitung einer hohen Datenvielfalt (Big Data) ermöglicht.

Die Anwendungsfelder, in welchen die KI heute schon in der Lage ist, sehr gute Ergebnisse und echten Nutzen zu erzielen, lassen sich auf drei Bereiche zusammenfassen:

Der erste Bereich ist „Wahrnehmen und Erkennen“. Hierzu gehören die bekannten Anwendungen aus der Spracherkennung wie Siri oder Alexa oder die Anwendungen für die Sprachübersetzung. Gerade im Bereich der Übersetzung zeigen sich die Möglichkeiten und gleichzeitig die Grenzen der KI sehr deutlich. Denn einerseits können die Systeme heute auch Redewendungen und Floskeln sinngemäß richtig übersetzen, anderseits darf man von einem System, das beispielsweise einen Text über London vom Englischen ins Deutsche übersetzt, nicht erwarten, dass es auf Rückfrage auch eine Liste angesagter Restaurants in London präsentiert. Der Grund dafür liegt darin, dass derartige Systeme immer nur für eine ganz bestimmte Aufgabe trainiert werden, das ganze also mit echter Intelligenz, wie wir sie uns vorstellen, nicht viel zu tun hat.

Der zweite Bereich steht unter der Überschrift „Kognition und Problemlösung“. Darunter fallen z. B. heute bereits sehr gut beherrschte Anwendungen etwa zur Optimierung der Lagerhaltung, zur Schadensregulierung von Versicherungen oder auch zur automatisierten Entscheidungsfindung für Kreditvergaben.

Ein dritter und noch weniger bekannter Bereich ist „Kollektives Wissen und Kreation“: Hier greift die KI nicht nur auf vorhandenes digitales Wissen zurück, sondern ist auch in der Lage ganz neues Wissen zu erschaffen. Erste Versuche in der Medienbranche (z. B. Filmskripte oder Werbespots) beweisen ein menschennahes, allerdings noch nicht gleichwertiges Ergebnis.

KI ist demnach heute in der Lage in gewissem Umfang definierte Probleme sehr gut und vor allem besser und schneller zu lösen als der Mensch. Aus unternehmerischer Sicht lässt sich zusammenfassen, dass im Hinblick auf die beiden möglichen Wirkrichtung der KI, nämlich der Umsatzsteigerung und der Kostenminimierung heute die meisten realisierten Anwendung auf die Kostenreduktion abzielen. In Zukunft werden sich jedoch beide Richtungen etablieren und noch viel stärker durchsetzen.

Chancen und Risiken
KI und insbesondere Maschinelles Lernen sorgt in Unternehmen auf drei Ebenen für Veränderung und somit für neue Chancen aber auch Risiken:
  1. Aufgaben und Tätigkeiten: Beispielsweise kann KI aufgrund der großen Menge an Daten und Mustern, die sie verarbeiten kann, sehr gut für die Diagnose von Krankheiten eingesetzt werden. Ärzte können sich somit stärker auf schwierige Fälle und die individuelle Abstimmung der Therapie konzentrieren. 
  2. Geschäftsprozesse: Die Auftrags- und Produktionssteuerung insbesondere in Verbindung mit Störungen und dem situativ richtigen Umgang damit kann viel besser durch KI erledigt werden, da sie schnell viele und übergreifend vernetzte Daten miteinander verglichen kann.
  3. Geschäftsmodelle: Beispielsweise können durch den Vergleich personalisierter Daten mit übergreifenden Mustern sehr viel individuellere Angebote für die verschiedensten Bereiche wie etwa Reisen, Musik, Essen etc. gemacht werden.

KI ist also in der Lage an verschiedensten Stellen im Unternehmen oder in Produkten eingesetzt zu werden. Dabei verdrängt sie jedoch fast nie ganze Jobs, sondern wird meist zur Unterstützung der menschlichen Tätigkeit verwendet. D. h. auch in Zukunft muss es Entrepreneure, Erfinder, Wissenschaftler und andere Menschen geben, die herausfinden, welches Problem als nächstes in Angriff genommen oder welches neue Geschäft erschlossen werden sollte.

Fazit
Der größte Hemmschuh in der Umsetzung der bereits vorhandenen Möglichkeiten der KI ist heute das Management in den Unternehmen. Die neue Technologie und ihre Fähigkeiten sind heute zu wenig bekannt und bei der Realisierung sind Unternehmen zu stark auf externe Partner angewiesen, was zurzeit eher zu einer Haltung des Abwartens führt. Bei dem dennoch schnellen Voranschreiten der Entwicklung insbesondere in China und den USA und den gleichzeitig immensen Vorteilen, die die Realisierung der Technologie verspricht, ist dies eine sehr gefährliche Haltung. E ist davon auszugehen, dass die anpassungsfähigsten Unternehmen und Führungskräfte dadurch erfolgreich sein werden, dass sie aufkommende Chancen schnell erkennen und dabei die Möglichkeiten der KI nutzen. Um dies im Unternehmen umzusetzen, ist die beste Möglichkeit: mit hohem Tempo experimentieren, dabei Erfahrung sammeln und somit fit für die Herausforderungen der Zukunft werden. KI wird in absehbarer Zeit das Management im Unternehmen nicht ersetzen kann. Aber Manager, die in der Lage sind die KI zu nutzen, werden diejenigen verdrängen, die das nicht tun.
 
Ihr Kontakt
Stephanie Meske
Public Relations
 
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