W&P Kommentar
München, 10.08.2021

CFO 2021: Co-Pilot nicht Steward

Kommentar von Daniel Emmrich, Mitglied der Geschäftsleitung bei Dr. Wieselhuber & Partner
Daniel Emmrich
Partner 

„Der CEO braucht einen exzellenten Co-Piloten und nicht bloß einen guten Steward in der Kabine“ – treffender als Axel Schulte in der Börsenzeitung kann man es kaum formulieren. Warum ist das so, was sind die Ursachen, was macht das neue Rollenverständnis notwendig? Es sind Gründe der Unternehmensentwicklung als auch veränderte gesetzgeberische Rahmenbedingungen.

Quellen von Intransparenz und Komplexität
10 Jahre Konjunktur, Wachstum und Weiterentwicklung von Leistungsspektrum, Vertriebsstrukturen und Wertschöpfungsarchitektur haben die Prozesse und Strukturen im Unternehmen häufig komplex und intransparent gemacht. Deutlich mehr Personen und Funktionen sind in die Standardprozesse der Kundengewinnung, den Lead-to- Order- und den Order-to-Cash-Prozess eingebunden als früher. Es wurde an- und umgebaut, „Nebenrechnungen“ eingeführt, interne Zulieferer machen interne Verrechnungen notwendig. Sichtbare Zeichen dieser Entwicklungen sind eine Zunahme der legal entities, sowie der Anstieg der internen Verrechnungen und der Intercompany Umsätze.

Reagibilität und Transparenz als Erfolgsfaktoren
Und was bleibt dabei auf der Strecke? Vor allem Transparenz und Reagibilität. Es wird immer schwerer zu sagen, womit das Unternehmen wirklich Geld verdient, die Auftragsauflösung erfolgt zunehmend mehrstufig und die Vielzahl der Beteiligten macht das Navigieren schwieriger. Die Leidtragenden sind nicht nur CFO und Controlling, sondern letztendlich alle am Prozess Beteiligten und das Unternehmen als Ganzes, denn es verliert Performance und Zukunftsfähigkeit.

Paradigmenwechsel – Cash statt Kapital
Die EU arbeitet an einer Vereinheitlichung der Rechtsordnungen, um rechtliche Gleichstellung zu gewährleisten. Das findet seinen Niederschlag nicht nur in Richtlinien und in Änderungen von nationalem Recht – es bedingt auch Paradigmenwechsel, der sich 1:1 im StaRUG widerspiegelt. Völlig unabhängig vom präventiven Restrukturierungsverfahren selbst, verpflichtet das StaRUG die Geschäftsleitung dazu, die Durchfinanzierung der Unternehmen auf Sicht von 24 Monaten sicherzustellen – und dies auch zu dokumentieren.
Im Sinne einer Krisen-, aber auch Chancen-Früherkennung sollen mögliche künftige Ereignisse in Szenarien abgebildet und damit ihre Auswirkungen auf die Durchfinanzierung transparent gemacht werden. Es geht also primär um Cashflow, um die Stabilität des EBITDA und um die Sicherheit alle Finanzierungsanforderungen zu erfüllen. Heißt: Alle endfälligen Finanzierungskomponenten, wie Schuldscheine, Anleihen aber auch auslaufende Konsortialfinanzierungen müssen refinanziert werden können. Das Unternehmen muss für Finanzierer entsprechend attraktiv sein.

Das StaRUG zur Weiterentwicklung der Unternehmenssteuerung nutzen
Richtig verstanden lässt sich das StaRUG zukunftsorientiert und positiv nutzen – für mehr Transparenz und bessere Entscheidungsgrundlagen, denn es geht um eine zahlenbasierte Auseinandersetzung mit der Zukunft. Es geht um Szenarien, um Optionen und mögliche Veränderungen im Markt. Die Anregungen und Vorgaben des StaRUG sollte das Management und insbesondere der CFO als „Steilvorlage“ sehen, als Aufforderung zum aktiven Chancenmanagement und zur Mobilisierung von internen Potenzialen zu mehr Agilität, größerer Reagibilität, kürzeren Prozess-Durchlaufzeiten – und vielleicht auch zu einem schlanken „Greenfield Ansatz“, was Konzernstrukturen, Prozesse, aber auch das Reporting angeht.

So lässt sich das StaRUG zu einer „Agilitätsoffensive“ nutzen, um die „Anbauten“ der Wachstumsphase kritisch zu hinterfragen, die Prozesse innerhalb des Konzerns insgesamt glatt zu ziehen, um End-to- End- Transparenz und Reagibilität sicherzustellen.

Agilitätsoffensive – der CFO wird Co-Pilot
Drei grundsätzliche, aber eher schleichend verlaufende Veränderungen, sind bei einer Agilitätsoffensive zu analysieren, gegebenenfalls geradezurücken und wieder in eine Balance zu bringen:

  • Auftragstypen und Geschäftsmodelle:
    Die Weiterentwicklung der Geschäfte hin zu Systemen, Lösungen und Angeboten „as a service“ heißt, es werden unterschiedliche Geschäftsmodelle entwickelt und „betrieben“. Dies erfolgt dann häufig in einem Prozess – also aus einer Organisation heraus und unter einer Finanzierung. Die Folge: Der Prozess passt für keines der Geschäftsmodelle bzw. Auftragstypen richtig und finanzierungsseitig ist nicht wirklich klar, was in welchem Umfang zu finanzieren ist.
  • Vertriebsstruktur und Absatzfinanzierung:
    Marktseitig wurden meist in aller Regel die Strukturen deutlich ausgebaut und Dritte durch eigene Organisationen ersetzt. Prozesse und Geschäftsmechanik blieben häufig unverändert, meist mussten die neuen Strukturen mit längeren Zahlungszielen finanziert werden. Die Folge: Steigender Finanzbedarf bei der Mutter, Finanzierung von Intercompany-Forderungen und Inkongruenz von Finanzierung und Cashflow – unabhängig von der Frage wie Cash-rechtlich zurücktransferiert werden kann.
  • Global footprint und Produktionsverlagerung:
    Produktionen wurden verlagert, Lohnkostenvorteile genutzt und die Marktnähe verbessert. Heißt: Statt direkter Bestellung der Vertriebsgesellschaft beim Produzenten, geht der Bestell- sowie der Order-to-Cash-Prozess „wild“ durch den Konzern, sichtbar durch interne Leistungsverrechnungen und Intercompany-Umsätze.

Abhilfe schafft nur eine strikte Prozessbetrachtung. Bei gleicher Segmentierung sollte das Prozessdesign begleitet sein von einer durchgängigen Ermittlung der segmentspezifischen Kosten – end-to-end über alle legal entities hinweg. Mit den Szenarien lassen sich sowohl marktseitig als auch hinsichtlich der Wertschöpfung unterschiedliche Konstellationen abbilden und ihre Effekte bewerten.
 
Fazit
Möglicherweise in der Konjunkturphase aufgebaute Komplexität ist wieder zurückgefahren, Reagibilität und Transparenz stimmen. Szenarien können schnell und treffsicher aufgebaut – Entscheidungen damit schnell und faktenorientiert getroffen werden. Es ist also klar, welche Flughöhe die Richtige ist und wie es um die Reichweite bestellt ist. Der CFO ist echter Co- Pilot und macht den CEO entscheidungssicher und schnell.
 
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