Die Katerstimmung auf dem deutschen Biermarkt hält an: Bierausstoß und Bierverbrauch in Deutschland sind nach wie vor stark rückläufig. Bereits heute beträgt der jährliche Bierkonsum mit 105,5 Liter pro Kopf nur noch ca. ¾ des Niveaus von 1995. Der wichtigste Teilmarkt Pils ist nach einer Schätzung der Branchenexperten bei Dr. Wieselhuber & Partner (W&P) noch stärker betroffen. Seit 1995 hat er um nahezu 30 Prozent nachgegeben. Ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht, denn das Konsumniveau wird weiter sinken. Im Ergebnis bedeutet das eine extreme Polarisierung des Biermarktes - Konzerne werden versuchen, die deutsche Konsumzurückhaltung im Ausland zu kompensieren und Kleinstbrauereien machen sich die Etablierung in der Region zu Nutze. Viele mittelgroße Brauereien hingegen gehen an dieser Entwicklung zu Grunde: In den vergangenen sechs Jahren mussten sie einen Ausstoß-Rückgang von knapp 16 Prozent hinnehmen. Rund 10 Prozent der Brauereien haben diese Entwicklung nicht verkraftet und sind von der Bildfläche verschwunden. Zahlreiche weitere werden folgen.
Die Gründe für das sinkende Konsumniveau in Deutschland sind vielfältig, haben jedoch einen Nenner: Die demographische Entwicklung. Denn während in vielen Teilen des europäischen Auslands die Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten zunimmt, brechen hierzulande bis 2060 rund 14% potenzielle Konsumenten weg. Hinzu kommt: In der stark alternden Bevölkerungsschicht setzt zunehmend Zurückhaltung gegenüber alkoholischen Getränken ein - dabei waren es gerade die heutigen "Best Ager", die ursprünglich im Biersegment für einen positiven Kohorten-Effekt sorgten. Sich ändernde Vorlieben und Gewohnheiten heizen die Konsolidierung auf dem heimischen Biermarkt weiter an.
Eindeutige Verlierer innerhalb der Branche: Mittelgroße Brauereien mit einem Ausstoß von 5.000 - 100.000 hl pro Jahr. Seit 2006 haben 36 Hersteller von ursprünglich 317 in diesem Segment geschlossen. "Große Brauereien und Konzerne mit einem Ausstoß ab 100.000 HL pro Jahr haben wesentlich bessere Möglichkeiten, neue Märkte im Ausland zu erschließen und so die Verluste im Heimatmarkt zu kompensieren. Gerade in den Bereichen Verwaltung, Logistik, Vertrieb oder Rohstoffbeschaffung können sie in der Regel auf ein global etabliertes Netzwerk zurückgreifen und die Kosten überschaubar halten. Das Mittelsegment kann ihnen hier preislich einfach nicht die Stirn bieten", weiß Jürgen-Michael Gottinger, Branchenexperte und Mitglied der Geschäftsleitung bei W&P.
Und auch wenn die vielen Kleinstbrauereien von 2006 bis 2012 einen Ausstoßrückgang (in hl) von 10 Prozent hinnehmen mussten - auf einem regionalen Level, mit einem hohen Anteil an Fassbier/Gastromengen, konnten sich im Vergleich zum Mittelsegment viele aus der Preisvergleichbarkeit retten. Gottinger dazu: "Der deutliche Anstieg der Player im Segment der Kleinstbrauereien von 11 Prozent seit 2006 auf über 900 Unternehmen zeigt: Die "Lokal-Strategie" geht auf."
Er warnt dennoch: Regionale M&A-Aktivitäten, Kooperationen in Funktionen sowie die Fixkosten in Verwaltung, Logistik und Vertrieb müssen bei allen Herstellern dringend auf den Prüfstand. Produkt- und Gebinde-Portfolio sollten überarbeitet und das Komplexitätsmanagement intensiviert werden - und zwar so schnell wie möglich. Für den Mittelstand sieht Gottinger großes Potenzial im Thema Differenzierung. "Entscheidend - gerade im Mittelsegment - ist künftig das Thema Differenzierung. Nur wer sich mit einer klaren Strategie positioniert - vom Marketing bis zur Distribution - hat überhaupt Chancen künftig in heimischen und internationalen Märkten zu bestehen."
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