Ausbau Lösungskompetenz und neue Geschäftsmodelle
In fast allen Industriegüter-Segmenten ist der Trend zu anwendungsspezifischen Lösungen zu beobachten. Die Investionsgüterhersteller erweitern ihr klassisches Produktgeschäft immer stärker durch branchen-, oft sogar kundenspezifische Lösungen. Neue Kompetenzen wie Projektmanagement, Risk- und Claim-Management oder kundenspezifisches Engineering (vs. klassischer F&E) müssen aufgebaut werden. Die steigende Komplexität des Produktportfolios muss durch ein professionelleres Produktmanagement beherrschbar bleiben - zusätzlich ist oft ein Branchen- oder Segmentmanagement einzuführen, um die Anforderungen der unterschiedlichen Kundengruppen optimal erfüllen zu können. Die Entwicklung vom Produkt- zum System- bzw. Lösungsgeschäft wird i.d.R. von einem Ausbau des Service und/ oder Neupositionierung in der branchenspezifischen Wertschöpfungskette begleitet. Neue Kompetenzen werden erfolgsentscheidend, andere unwichtiger – die entsprechenden Aufgaben können dementsprechend an Lieferanten oder Partner übertragen werden.
Digitalisierung / Industrie 4.0
Ein wesentlicher Treiber für das Entstehen neuer Geschäftsmodelle ist die fortschreitende Digitalisierung. Die Verfügbarkeit umfangreicher Betriebsdaten, deren Auswertung in Echtzeit und die zunehmende Vernetzung schaffen die Grundlage für sogenannte datenbasierte Services und Geschäftsmodelle. Der Produkthersteller beschränkt sich nicht mehr alleine auf den Verkauf von Produkten und Ersatzteilen bzw. klassische Instandhaltungsleistungen, sondern bietet zustandsbasierte Instandhaltungslösungen (Predictive Maintenance) oder leistungs- bzw. verfügbarkeitsbezogene Bezahlmodelle (pay-per-use) an, oder steigt sogar in den Betrieb von IT- Plattformen zur Optimierung der gesamten Fertigung seiner Kunden ein.
Zukünftig entscheiden nicht mehr (alleine) Qualität, Funktionalität und Präzision mechanischer, elektrischer und mechatronischer Komponenten und Systeme, sondern die SW- und IT-Kompetenz eines Unternehmens über den Markterfolg. Dabei ist die Konvergenz unterschiedlicher Technologie-Domänen (Industrieautomation, IT, Kommunikationstechnologien) ebenso zu berücksichtigen, wie die Forderung nach offenen Schnittstellen. Offene Schnittstellen sind nicht nur technologisch zu verstehen sondern werden auch in der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen wichtiger. Die neuen Lösungen können oft nicht mehr von einem Unternehmen alleine realisiert werden, sondern erfordern ein enges Zusammenarbeiten mehrerer Unternehmen in der branchenspezifischen Wertschöpfungskette. Unternehmensübergreifende Netzwerke, sogenannte Eco-Systems werden sich bilden. Neue - auch branchenfremde - Unternehmen werden als potenzielle Partner oder auch Wettbewerber auftauchen.
Innovation
Unternehmen aus Hochlohnländern werden sich in Zukunft noch stärker als bisher über Innovationen differenzieren müssen. Eine noch stärkere Ausrichtung auf den Kundennutzen, auf den anwendungsspezifischen Einsatz des Investitionsgutes, wird dabei erfolgsentscheidend sein. Ohne technologische Möglichkeiten (Technology Push) zu vernachlässigen muss die Marktorientierung (Market Pull) im Innovationsprozess gestärkt werden. Neben der Entwicklung physischer Produkte (Hardware) gewinnt die Entwicklung von Software, neuen Services oder neuen Geschäftsmodellen an Bedeutung. Dies ist eine Aufgabe, die nicht alleine von der F&E gelöst werden kann, sondern eine eng verzahnte Zusammenarbeit von strategischem Marketing, F&E, Unternehmensentwicklung, M&A, IT und weiteren Unternehmensfunktionen wie z.B. Service erfordert. Nur so gelingen sogenannte disruptive (im Vergleich zu den klassischen inkrementellen) Innovationen, mit denen ein signifikantes und nachhaltiges Absetzen vom Wettbewerb erreicht wird.
Globalisierung
Die vertriebliche Erschließung der Wachstumsmärkte und die Nutzung diese Länder als Produktionsbasis ist bei vielen Investitionsgüterherstellern schon weit fortgeschritten. Oft ist das Produktportfolio aber nach wie vor auf die für Industrieländer entwickelten hochpreisigen Produkte höchster Effizienz und Funktionalität ausgerichtet. Diese erfüllen selten die abweichenden Anforderungen der Kunden aus den Emerging Markets – den deutschen Unternehmen fehlen i.d.R. die „Good Enough“-Produkte für das sogenannte Mid-Market-Segment. Neben einer noch stärkeren Lokalisierung der Supply Chain ist hierfür insbesondere auch ein lokales strategisches Marketing/ Produktmanagement und eine lokale Entwicklung notwendig. Während die BRIC- Staaten, insbesondere China, i.d.R. schon sehr intensiv bearbeitet werden, zögern viele Unternehmen, sich heute schon stärker in neuen Märkten (N11 – Indonesien, Vietnam, ...; Frontier Markets – Afrika, Myanmar,...) zu engagieren. Angesichts des zunehmend stärker werdenden Wettbewerbs aus z.B. China sollte diese Haltung überdacht werden. Schon heute ist das Produktionsvolumen der chinesischen Wettbewerber in vielen Segmenten des Maschinenbaus um den Faktor 3 größer als das der deutschen Anbieter. Eine ausschließliche Fokussierung auf das absolute Premium-Segment ist für die deutschen Investitionsgüterhersteller keine nachhaltige Strategie.
„Agiles Unternehmen“
Eine erfolgreiche Wachstumsstrategie durch Innovation und Globalisierung muss auf der Kosten- und Effizienzseite flankiert werden. Die Potenziale in den einzelnen Unternehmensfunktionen sind in vielen Unternehmen bereits weitestgehend ausgeschöpft. Der nächste Schritt muss die Schaffung von funktions- und auch unternehmensübergreifenden end-to-end-Prozessen sein, z.B. PLM – Product Life Cycle Management oder SCM – Supply Chain Management. Die zunehmende Vernetzung auch mit Partnern in der Wertschöpfungskette, eine noch stärkere Arbeitsteilung und damit einhergehende Fokussierung auf die eigenen Kernkompetenzen, sind eine logische Folge davon. Um in den neuen Wertschöpfungsketten erfolgreich arbeiten zu können, sind die eigenen Strukturen und Abläufe so einfach und schlank bzw. „lean“ wie möglich zu gestalten. Nur so kann der durch Diversifizierung und Individualisierung der Kundenwünsche stetig ansteigenden externen Komplexität begegnet werden – die interne Komplexität muss auf ein absolutes Minimum reduziert oder durch neue Ansätze (z.B. Industrie 4.0) beherrscht werden. Die Unternehmen müssen ferner grundsätzlich die Fähigkeit aufbauen, sich schneller auf neue Strukturen und Herausforderungen einzustellen. Vor diesem Hintergrund werden Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter, Leadership und Change Management zu weiteren kritischen Erfolgsfaktoren.