Dynamik der Medizintechnik fordert die Unternehmen
Der hohe gesellschaftliche Stellenwert des Gesundheitsmarktes nicht nur in den entwickelten Ländern geht einher mit dem stetigen Anstieg des Wohlstandes in vielen Regionen der Welt. Die durchschnittlichen Gesundheitsausgaben je Kopf korrelieren mit dem verfügbaren Einkommen der Bevölkerung und führen zu einem Anstieg der Lebenserwartung. Parallel kann beobachtet werden, dass die Gesundheitsausgaben eine starke Beziehung zur technologischen Entwicklung aufweisen. Die ständig steigende Anforderungen seitens der Kunden/Patienten und der technologische Fortschritt führen dazu, dass sich der Markt für medizintechnische Produkte zu einer der innovationsintensivsten Branchen in Deutschland entwickelt hat. Um die hohe Innovationsleistung langfristig stabil und auf einem hohen Niveau zu halten, müssen die Unternehmen der Medizintechnik einerseits die relevanten Technologietrends, wie Neuroengineering, bildgebende Diagnostik, Telemedizin, Tissue-Engineering, Miniaturisierung und Biologisierung etc., im Blick behalten. Andererseits sind der Markt und damit das Agieren der Unternehmen durch eine Vielzahl an landesspezifischen Normen starken Reglementierungen unterworfen.
Techniktrend Digitalisierung
Auch die Medizintechnik bleibt von den Einflüssen der Digitalisierung nicht verschont. Die zunehmende Digitalisierung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens wird in der Medizintechnik diagnostische Methoden z.B. über Wearables oder Lab-on-a-Chip-Produkte grundlegend verändern. Ebenso wird es im Rahmen der Therapie zu weiterentwickelten bzw. neuen Methoden kommen. Beispiele sind leistungsfähigere Produkte und Dienste rund um die Telemedizin, eine Ausweitung von Remote-Point-of-Care-Angeboten bis hin zu Konzepten wie Pop-up-Kliniken. Auch im Bereich der Finanzierung bieten sich für Unternehmen neue Geschäftsmodelle, indem durch die Digitalisierung der Medizintechnikprodukte Pay-by-Use-Bezahlmodelle weiter ausgebaut und breiter vermarktet werden können: Geräte werden Ärzten kostenlos zur Verfügung gestellt, dafür müssen die Disposables für einen fixierten Zeitraum beim Gerätehersteller bestellt werden; denkbar ist auch, dass die Bezahlung der Geräte unmittelbar an die tatsächliche Inanspruchnahme des Equipments gekoppelt ist.
Strenges Regelwerk als Innovationshürde
Genauso elementar wie die Markt- und Technologie-getriebenen Trends für den Erfolg medizintechnischer Unternehmen und deren Produkte ist die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben und der diversen Verordnungen (z.B. Medizinproduktegesetz – MPG, Medizinprodukte-Betreiberverordnung – MPBetreibV, Arzneimittelgesetz – AMG, Vergütungskatalog). Der Markt für medizintechnische Produkte ist aufgrund seiner Spezifika stark reglementiert und unterliegt diversen, landesspezifischen Anforderungen, welche im Entwicklungsprozess für neue Produkte zu berücksichtigen sind, um die geforderten Zertifizierungen (z.B. CE-Kennzeichnung in Europa) und damit die Zulassung für den Verkauf der Produkte zu erhalten. Die Zulassungsverfahren sind sehr langwierig, ihr Ausgang nicht immer hinreichend vorhersehbar. So kann es durchaus vorkommen, dass langwierige und teure Entwicklungsleistungen ins Leere laufen, weil dem Produkt die Zulassung oder die Aufnahme in den Vergütungskatalog verweigert werden.
Effektives und effizientes F&E-Management
Das teilweise sehr technologiegetriebene Geschäft führt in Verbindung mit den aufwendigen Zulassungsverfahren dazu, dass Effizienz und Effektivität des F&E-Managements einen entscheidenden Einfluss auf die Frage nach Markterfolg, oder Entwicklungs-Flop haben. Das richtige Füllen der Pipeline ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite muss durch leistungsfähige F&E-Prozesse dafür gesorgt werden, dass Quality Gates sowie Zeit- und Kostenbudgets eingehalten werden und in regelmäßigen Abständen die Frage nach dem Go/No-Go gestellt wird. In einem innovationsgetriebenen Geschäft wie der Medizintechnik muss die knappe und strategisch wichtige Ressource F&E äußerst zielgerichtet gesteuert werden. Die zukünftige Positionierung medizintechnischer Unternehmen im Wettbewerb hängt im hohen Maße von der Leistungsfähigkeit ihrer F&E-Abteilungen ab.
Heterogene Kundengruppen schaffen komplexe Marktbedingungen
Im Geschäft mit medizintechnischen Produkten müssen die Anforderungen der unterschiedlichen Kundengruppen – niedergelassene Ärzte, öffentliche und private Krankenhäuser, unterschiedliche Krankenhausträger, private Endkunden etc. – jeweils speziell berücksichtigt werden. Hinzu kommt, dass die Abnehmer, wie Kliniken, Praxen und Krankenkassen unterschiedlichen weiten oder engen Budgetrestriktionen unterliegen und abhängig davon ihren erstattungsfähigen Leistungsumfang gestalten. Gerade der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) hat sich für viele Unternehmen des Öfteren als Innovationshürde erwiesen, da neue Produkte trotz nachgewiesener Wirksamkeit nicht von der GKV unter Umständen sogar nicht einmal von der privaten Krankenkasse (PKV) erstattet werden.
Übergreifender Effizienzdruck
Parallel zu den innovativen und normengetriebenen Einflüssen sieht sich die Medizintechnik-Branche mit Anforderungen nach einer immer höheren Effizienz konfrontiert. Die Gesundheitsausgaben gerade in den entwickelten Ländern explodieren, während die Einnahmen der Krankenkassen in weitaus geringerem Umfang steigen, gelegentlich sogar fallen. Die Lücke soll u.a. mit effizienteren aber auch günstigeren Produkten geschlossen werden, weswegen die Unternehmen einem ständigen Optimierungsdruck ihrer Vertriebs-, Entwicklungs- und Produktionsprozesse unterliegen. Um sich weiterhin im Markt behaupten zu können, müssen die Unternehmen Antworten finden, um den Spagat zwischen Effizienz und Innovation zu meistern.