W&P Kommentar
München, 08.02.2024

Trends im Fashion-Markt 2024: Jetzt heißt es warm anziehen!

Kommentar von Manuel Farrokh, Leiter Mode Fashion Lifestyle bei Dr. Wieselhuber & Partner
Manuel Farrokh
Mitglied der Geschäftsleitung 

Noch ist das Jahr jung. Und doch zeigen die Eindrücke der Modefabriek Amsterdam, Düsseldorf Fashion Days, CIFF Copenhagen und der ILM in Offenbach schon jetzt: Hersteller und Handel unterliegen einer fundamentalen Transformation und Konsolidierung des Marktes. Historisch gewachsene Disharmonien, exogene, geopolitische Faktoren und neue Technologien wirken 2024 auf Strategien und Geschäftsmodelle ein. Welche Trends jetzt strategische Entscheidungen im Top-Management verlangen?

Mieten im Handel: Valider Punkt vs. faule Ausrede?
Prominente Insolvenzen zahlen auf die aktuelle Wahrnehmung ein: Zu hohe Mieten sind der Kern allen Übels. Ja, Mieten sind – neben den Personalkosten und hohen Lagerbeständen – die Kostentreiber im Handel. Jedoch allein auf die Mieten abzustellen, lenkt von anderen Problemen ab und ist zu kurz gesprungen. Denn: Jeder Händler, der stationären Handel betreibt, muss mit Kosten für die Nutzung der Flächen und Immobilien – egal ob Miete oder Kauf – rechnen. Generell verschärft die aktuelle Situation der Inflation, steigender Sparquote und damit steigende Kaufzurückhaltung den Handlungsdruck auf die Händler. Marken und Händler der „Modischen Mitte“ sind besonders betroffen. Andererseits gibt es Marken, insbesondere im Premium und Luxussegment (LVMH, BOSS, Douglas) sowie im Niedrigpreis-Segment, die trotz aller Widrigkeiten ein sehr gutes Geschäft machen. Strukturen, Prozesse und die eigene Organisation, Kosten, Filialnetz und das gesamte Geschäftsmodell müssen jetzt kritisch überprüft werden. Es gilt jetzt mehr denn je: Auf Profitabilität abstellen, die Finanzierung sichern und für Frequenz und Abschöpfung sorgen.

Lagerbestände: Fluch der Corona-Vergangenheit?
Viele Marken und Händler beklagen zu hohe Lagerbestände, die in der unplanbaren Zeit von Lockdowns und Unsicherheit aufgebaut wurden. Guter Rat war hier teuer: Ordern wir zu wenig? Ordern wir zu viel? Wie werden die Limite verteilt? Kommt ein weiterer Lockdown? Kriege und Inflation folgten, die Sparquote stieg, die Frequenz sank und die Umsätze folgten diesem Trend – das Working Capital ist gebunden und führt zur Belastung des Unternehmensergebnisses.

Hatten die einen den richtigen Riecher, sehen sich heute viele Händler mit zu hohen Warebeständen konfrontiert, Hersteller sitzen auf hohen Beständen an Fertigware oder Zutaten. Gleichzeitig ist Geld teuer geworden, die Finanzierungskosten sind gestiegen. Hier hilft jetzt nur professionelles Working Capital Management und die Nutzung aller finanzwirtschaftlichen Möglichkeiten. Auch lohnt es das Kreditoren- und Debitorenmanagement genau unter die Lupe zu nehmen und damit ungeahnte finanzielle Möglichkeiten für unterjährig mehr liquiden Headroom freizusetzen.

Strategische Ausrichtung: Was tun, wenn niemand kommt?
Frequenzen leiden, die Daseinsberechtigung der Marke und Händler wird infrage gestellt. Abwarten und so weitermachen wie bisher, kann nicht die Lösung sein – vielmehr ist “Thinking out of the box” gefragt! Werden die relevanten Marken angeboten und produzieren Hersteller den richtigen Produktmix? Wo gibt es noch weitere Möglichkeiten, um Umsätze zu steigern - in der Diversifizierung? Was sind weitere Fähigkeiten, die das Unternehmen/ der Produzent besitzt?
In herausfordernden Zeiten – und im besten Fall davor – ist es überlebenswichtig, das Produktportfolio und Angebot zu überdenken. Produkt- und marktstrategische Themen müssen jetzt in den Vordergrund treten und alle Teilbereiche ergebnisoffen auf den Prüfstand gestellt werden.

Vergessene Kosten: Ungeahnte Schätze heben!
Etablierte Lieferantenstrukturen und langjährige Beziehungen führen oft zur Haltung „Das machen wir schon immer so“. Doch insbesondere im Bereich der sonstigen betrieblichen Aufwendungen (sbA) schlummern häufig ungeahnte Schätze – sogenannte „vergessenen Kosten“ - die es zu heben gilt. Diese sbA stellen oft eine Position in der GuV dar, die stiefmütterlich behandelt wird. Gerade Unternehmen mit relevanten Anteilen an sbA (>10 MEUR) können schnell und einfach bis zu 250 TEUR Ebit wirksame Einsparungen p.a. erzielen. Wenn man sich überlegt, dass bei einer Umsatzrendite von 5 Prozent 5 MEUR mehr Umsatz erzielt werden muss, um auf diesen Ebit-Effekt zu kommen, ist die Optimierung der Sachkosten ein starker Hebel.

Datennutzung: Management im Blindflug?
Viele Unternehmen verfügen nach wie vor eine unzureichende bis gar keine Datenbasis zur Steuerung ihrer Flächen. Datentransparenz ist mehr frommer Wunsch als gelebte Realität. Die Folgen: Aktionismus, häufiger Kurswechsel sowie der Aufbau von Entscheidungen und Strategien, die wenig mit Zahlen, Daten und Fakten unterlegt sind. Relevante Ergebnistreiber müssen also gezielt gesteuert werden, um ein Unternehmen oder dessen Teilbereich aber auch ganz operativ die Stores und deren Warengruppen und Saisons besser und pragmatisch auswerten zu können, um überhaupt zielführen steuern zu können. Das Controlling hat die Aufgabe vom Erlösmanagement bis zum Kostenmanagement die richtigen Instrumente und KPI bereitzustellen und diese dem Management an die Hand zu geben. In Zeiten von Big Data und Data-Crawling gilt es nun groß zu denken - aber pragmatisch umzusetzen. Nur so ist rasches und zielorientiertes Handeln möglich.

Unternehmensnachfolge: Stabwechsel erfolgreich gestalten
2024 stehen so viele Unternehmensnachfolgen an, wie lange nicht mehr - Trigema, MarcCain, Bugatti, FTC Cashmere oder die Schera GmbH mit den Marken Raffaello Rossi und Seductive sind einige prominente Beispiele dafür, wie Unternehmensnachfolge gut durchdacht und professionell geregelt werden kann. Ein Unternehmen in die Hände der nächsten Generation oder einem neuen Eigentümer zu übergeben ist nicht nur von wirtschaftlicher, sondern auch hochgradig emotionaler Schritt. Deshalb muss dies ein wohl überlegter und gut geplanter Schritt sein und braucht vor allem eines: eine unternehmerische Vision gepaart mit starkem Unternehmergeist und Empathie. Geerbtes oder Erworbenes bloß zu verwalten, das reicht nicht aus. Mit einem neuen und zeitgemäßen strategischen Konzept, einer geänderten Führung beziehungsweise der Neustrukturierung des Gesellschafterkreises müssen die Unternehmenszukunft und Arbeitsplätze gesichert werden. Nur wenn die Nachfolge im Unternehmen, bei der Belegschaft und ebenso bei den Geschäftspartnern etabliert und akzeptiert ist, gelingt der Stabwechsel.

Die Stimmung aller Player auf den Branchentreffen 2024 hat deutlich gemacht: Das Prinzip Hoffnung funktioniert weder im Handel noch bei den Herstellern. Die Stimmung nach außen ist wie immer blendend, es wird sich aber spürbar mehr über Probleme ausgetaucht und offen diskutiert. Die Realität ist jedem Händler und jeder Marke bekannt. Und die Liste der Herausforderungen 2024 hat es in sich. Entscheider sprechen im 4-Augengespräch über Sorgen und teilweise auch über deren Ratlosigkeit. In Schockstarre zu verfallen ist jedenfalls keine Lösung, jetzt heißt es warm anziehen und los! Denn nur wer oben genannte Trends erfolgreich anpackt und entsprechende Aufgaben konsequent erledigt, kann als Gewinner aus der angespannten Lage hervorgehen. Jede Krise bietet auch immer eine Chance!
 
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