W&P Kommentar
München, 02.10.2024

Automotive Branche: Zulieferer zwischen Baum & Borke

Kommentar von Dr.-Ing. Dirk Artelt, Managing Partner bei Dr. Wieselhuber & Partner (W&P)
Dr.-Ing. Dirk Artelt
Managing Partner 

Die Automobilwelt von gestern? War von stetigem Wachstum und Kontinuität geprägt. Etablierte Markt- und eingeschwungene Machtverhältnisse sorgten für Planungssicherheit bei OEMs (Original Equipment Manufacturer) und Zulieferern. Größere Investitionen in Anlagen und Innovationen waren meist mit kalkulierbaren Abnahmemengen unterfüttert, ansonsten wurde stetig Technologie, Portfolio, Prozess etc. optimiert und weiterentwickelt. Die Automobilbranche heute? Gleicht einer Achterbahnfahrt – aktuelle Hiobsbotschaften von deutschen OEMs wie beispielsweise VW oder Zulieferern wie Continental sind nur die Spitze des Eisbergs. Insbesondere die Transformation hin zur Elektromobilität, eine veränderte Wettbewerbssituation durch den Eintritt neuer Player in den Zuliefermarkt, neue Kunden und ein verändertes Konsumentenverhalten zwingen Unternehmen, unter enormer Unsicherheit und hohem Zeitdruck Entscheidungen über signifikante Investitionen zu treffen. Insbesondere kleine und mittlere Zulieferer leiden stark unter diesem Strukturwandel in Deutschland, da sie oft weniger Ressourcen haben, um sich schnell und flexibel an neue Marktanforderungen anzupassen. Zunehmend gehen Marktanteile an asiatische Wettbewerber - und der Einsatz von Restrukturierern, Sanierern und Insolvenzverwaltern in der Branche nimmt zu.

Die vorherrschende Unsicherheit durch sich ständig verändernde gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen erfordert unternehmerische Aufmerksamkeit und Handlungsbereitschaft. Die notwendige Transformation betrifft einerseits alle Unternehmensbereiche und erfordert andererseits ein Umdenken der Verantwortlichen.

Ein zentrales Thema ist die Marktsituation der OEMs und ihr Spagat zwischen der Ergebnissicherung mit bestehendem Geschäft und Zukunftsorientierung mit neuen Technologien (z.B. Elektromobilität). Gerade für kleine und mittlere Automobilzulieferer und sind die technologischen, wirtschaftlichen und regulatorische Hürden der Transformation große Herausforderungen.

In dieser Situation kann es sinnvoll sein, den Footprint zu überprüfen und Verlagerungen von Produktionsstandorten in Erwägung zu ziehen, um den steigenden Kostendruck in den Griff zu bekommen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Ausmaß der langfristigen volkswirtschaftlichen Auswirkungen, also negative Effekte auf heimische Wirtschaft und Arbeitsmarkt, erst in der Zukunft sichtbar werden.

Nachhaltigkeit und CO₂-Management sind weitere Schlüsselthemen, die angesichts strengerer regulatorischer Anforderungen und eines wachsenden Umweltbewusstseins der Verbraucher innovative Ansätze erfordern. Unternehmen sollten hier nicht nur auf externen Druck reagieren, sondern proaktiv nachhaltige Praktiken in ihre Geschäftsstrategien integrieren.

Ein weiteres kritisches Thema ist die Sicherung der Liquidität und das Working Capital Management (WCM). Die Sicherung der Liquidität und die Optimierung des WCM sind für die finanzielle Stabilität der Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Dies erfordert eine sorgfältige Planung und Umsetzung von Finanzstrategien sowie eine kontinuierliche Überwachung der finanziellen Gesundheit des Unternehmens.

Die Entwicklungen im Bereich der Mobilitätskonzepte (Robotaxis und autonomes Fahren) bieten enorme Chancen für Innovationen und neue Geschäftsfelder. Unternehmen müssen bereit sein, diese neuen Technologien zu nutzen und sich in diesen aufstrebenden Märkten zu positionieren. Die Fähigkeit, Innovationen schnell zu adaptieren und neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen, kann in Zukunft über die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen entscheiden.

Fazit
Der Erfolg der Transformation hängt von der kontinuierlichen Anpassung der Strategie an die neuen Realitäten ab und erfordert eine kompromisslose Situationsanalyse auf allen Ebenen des Unternehmens. Darüber hinaus ist es wichtig, dass der Wandel vom Top-Management vorgelebt, begleitet und umgesetzt wird. Auch Diversifikation kann eine Schlüsselrolle spielen, um Risiken zu streuen und neue Einnahmequellen zu erschließen.
Mehr denn je sind jedoch Führung und Leadership gefragt. Führungskräfte müssen in der Lage sein, ihre Teams durch unsichere Zeiten zu leiten, klare Visionen zu entwickeln und entschlossene Entscheidungen zu treffen. Nur so können Unternehmen die Herausforderungen meistern und gestärkt aus dem Wandel hervorgehen.
 
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