W&P Kommentar
München, 26.03.2015

Vom Unsinn eines verwilderten Strategiebegriffs

Kommentar von Prof. Dr. Norbert Wieselhuber, Managing Partner bei Dr. Wieselhuber & Partner GmbH
Prof. Dr. Norbert Wieselhuber
Managing Partner 

Achtung, oder besser noch, Vorsicht! Die Strategen sind unter uns! In Politik, Wirtschaft und sogar im Privatleben wird häufig und zu oft von Strategie gesprochen. Eine der Ursachen hierfür könnte sein, dass der Wunsch nach der Strategie Vater des Gedankens bzw. der Äußerung ist, oder dass Strategie zu einer leeren Worthülse, zu einem Modebegriff, zu einem "Unwort der Unternehmensführung" geworden ist - oder einfach Wissensdefizite bei den Wortbenutzern bestehen. Was also ist, was zeichnet Strategie aus? Am einfachsten scheint es zu klären, was Strategie nicht ist:

1. Kurzfristig notwendige und hoffentlich auch wirksame Aktivitäten, um akute Bedrohungen und die Not abzuwenden. Dieser weit verbreitete "Last Minute-Aktionismus" wird auch dann nicht zur Strategie, wenn man dies mit der turbulenten Umwelt und den damit verbundenen ad-hoc-Entscheidungen begründet.

2. Vollmundige, politische, z.T. populistische Erklärungen über den Umbau, die Neugestaltung von Systemen, Organisationen, Institutionen, ohne das Wie und vor allem das Warum zu erklären. Interessenlagen und individuelle, ideologische Standpunkte und Sichtweisen dominieren die Sachaufgabe und versperren den Blick für das unternehmerisch Sinnvolle und Notwendige.

3. Methodischer "Overkill" und der Glaube "alles ist planbar". Die vielfältig zur Verfügung stehenden Methoden zur Unternehmensführung, zur Bestimmung der strategischen Position und Strategieformulierung sind hilfreiche Instrumente, führen zu Strukturierung, Objektivierung von Entscheidungssituationen und können auch das Entscheidungsrisiko minimieren, nicht jedoch das unternehmerische Risiko ausschalten.

4. Engpassorientierte Einzelbetrachtungen - seien es Unternehmensfunktionen, Unternehmensressourcen, Marktzugang und Technologieverfügbarkeit - führen eher zur sog. suboptimalen Einzelstrategie, aber nicht zu einer ganzheitlichen, das Unternehmen als System begreifenden Unternehmensstrategie. Die beste Einzelstrategie kann sich im Kontext mit dem Gesamt-Unternehmen als kontraproduktiv erweisen.

5. Ein 5-Jahres-Plan ist keine Strategie. Formalisierte Planung ist weder Entscheidungsfindung noch Zukunftsgestaltung. Häufig dominieren operative Inhalte die Planung und die Planung selbst stellt zu sehr auf Output-Größen ab und berücksichtigt zu wenig Input-Faktoren oder Umfeldszenarien. Weiterhin werden Kreativität, Systemdenken, Erkennen von Wirkungszusammenhängen im klassischen Planungsprozess durch technokratisches Planungsprocedere dominiert.

Doch was konkret ist dann eine praktikable Inhaltsbeschreibung von Strategie?

Eine Konkretisierung des Begriffes lässt sich über die Inhalte der strategischen Planung erreichen. Strategie und Planung werden zu einem Begriffspaar. Planung wird dabei häufig von "Planungsgegnern" wie folgt definiert: Planung bedeutet den Zufall durch den Irrtum zu ersetzen. Eine durchaus brauchbare Diskussionsgrundlage, wenn man unterstellt, dass man aus Fehlern, Irrtümern lernen kann, aus Zufällen nicht. Unternehmensführung nach dem Zufallsprinzip bedeutet letztlich Glücksspiel zu betreiben. Berücksichtigt man in einer weiteren Definition Planung als gedankliche Vorwegnahme unterschiedlicher Zukunftswelten für eine zielorientierte Ausrichtung des Gesamt-Unternehmens, seiner Geschäfte und Funktionen, dann hat man den Kern der Planungsaufgabe treffend charakterisiert. Weiterhin ist damit ein Fundament für eine Definition der Strategischen Planung geschaffen.

Strategie beschreibt mögliche unternehmensspezifische Wege in die Zukunft und beantwortet die Frage: "Wo soll zum professionellen Auf- und Ausbau von Erfolgspotentialen und Wettbewerbsvorteilen markt- und ertragswirksam nachhaltig investiert werden?" Die gedankliche Vorwegnahme alternativer Zukunftswelten und deren Eintrittswahrscheinlichkeit, die spezifische Unternehmens- und Wettbewerbsposition sowie das Risikopotential des Unternehmens, definieren den Zukunfts- bzw. Strategiepfad. Die systematische und kreative Ausrichtung des Gesamtunternehmens, seine Geschäfte- und Funktionen bestimmen dessen Überlebens- und Zukunftsfähigkeit. Strategie ist somit auch ein systematischer, strukturierter Denk- und Lernprozess - Strategiefindung, -bildung und -umsetzung ist eine Top-Management-Aufgabe!

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