W&P Kommentar
München, 18.05.2017

Finanzierung digital – Alles anders, vieles neu, wenig besser?

Kommentar von Christian Groschupp, Leiter Competence Center Finance bei Dr. Wieselhuber & Partner
Christian Groschupp
Leiter Competence Center Finance 

Es scheint so, dass die FinTechs angetreten sind die gesamte Finanzbranche zu revolutionieren. Crowdfunding, Peer to Peer, Kreditplattformen und Online Direct Lending sind nur einige der Schlagwörter die dem Bankensektor scheinbar schlaflose Nächte bereiten. FinTechs beispielsweise zeichnen sich durch eine schlanke, agile und innovative Organisation aus, und das bei meist geringeren regulatorischen Beschränkungen als klassische Banken. Sie konzentrieren sich meist auf einzelne Elemente in der Wertschöpfung mit hoher Skalierbarkeit, sie definieren den Kundennutzen und das Kundenerlebnis als USP. Für die Unternehmensfinanzierung bedeutet dies: Neue Player auf dem Markt für kleinvolumiges Kreditgeschäft, die vorwiegend eine reine Vermittlerrolle einnehmen und für die Kunden die Preistransparenz erhöhen, sowie die Transaktionskosten senken. Liegt hierin die digitale Revolution in der Unternehmensfinanzierung?

Digitalisierung verändert nachhaltig Investitionsstruktur und Investitionsverhalten
Die Struktur digitaler Investitionen unterscheidet sich deutlich von klassischen Investitionen in Anlagen und Ausrüstungen. Der Investitionsschwerpunkt verschiebt sich in Richtung investiver Kosten und immaterieller Wirtschaftsgüter, v.a. in den Aufbau und die Qualifizierung von Fachkräften, in Software und Vernetzung. Diese Entwicklung ist längst Realität, bis hin zu ersten „Spuren der Digitalisierung“ in GuV und Bilanz. Vor welchen Herausforderungen stehen klassische Fremdkapitalgeber also? Während der Anteil nicht bilanzieller „Investitionen“ stark ansteigt, reduziert sich die Asset- und Sicherheitenbasis. Diese Art von Investitionen läßt sich aus dem Blickwinkel von Banken und Sparkassen nur schwer bewerten und fast überhaupt nicht zur Besicherung heranziehen. Gleichzeitig steigt der Finanzbedarf für Investitionen bei längeren Amortisationszeiten, was zu einer Abschwächung der Ertragskraft, einer sinkenden Eigenkapitalquote und einer Reduzierung des Verschuldungspotentials führt. Die herkömmlichen Ratingmethoden greifen hier nur noch bedingt.

Konsequente Digitalisierung im Wertschöpfungsprozess reduziert den Finanzbedarf
Wenn Unternehmen im Wertschöpfungsprozess große Datenmengen erfassen und intelligent in Echtzeit verarbeiten, Aufträge und Maschinen miteinander vernetzen, sowie die interne und externe Lieferkette automatisiert steuern, so hat dies letztlich auch Auswirkungen auf die Mittelbindung im Unternehmen. Sprich: eine konsequente Digitalisierung der gesamten Supply Chain führt zwangsläufig zu einem rückläufigen Betriebsmittelbedarf. In vernetzten Lieferketten verlieren klassische Sicherungsgüter an Bedeutung.

Neue Erlösmodelle verändern den Cashflow innerhalb der Wertkette
Zu wirklich disruptiven Veränderungen von Geschäftsmodellen und deren Finanzierung führt aber erst die konsequente Anwendung des Eyerything as a Service-Ansatzes. Produkte, Dienste, Infrastruktur bis hin zu menschlicher Intelligenz werden als Service angeboten. Sie verändern den Cashflow und somit auch den Finanzbedarf innerhalb der Wertketten. Die Bezahlung von tatsächlichen Betriebsstunden statt dem Erwerb von Anlagegütern reduziert bei den Kunden den Investitionsbedarf und erhöht gleichzeitig die Planbarkeit des Cashflows. Bei den Anbietern hingegen steigt der Bedarf nach auftrags- bzw. projektbezogenen Finanzierungsinstrumenten.

Dabei sind nicht alle Digitalisierungsansätze für eine Fremdkapitalfinanzierung geeignet. Je disruptiver die Branchenmechanik durch die Digitalisierung verändert wird, beispielsweise durch den Einsatz neuer Technologien, und je ausgeprägter das Risikoprofil der Digitalisierungsstrategie selbst ist, desto eigenkapitalnäher muss die Finanzierung ausgestaltet werden.

Empfehlungen zur Finanzierung Ihrer Digitalisierungsstrategie
Was sollen Unternehmen bei der Finanzierung Ihrer digitalen Transformation beachten?

  • Verstehen Sie die Digitalisierung als langfristiges Investitionsvorhaben mit breitem Ressourcen-Input.
  • Ermitteln Sie den strukturellen Einfluss der Digitalisierung auf die GuV, Bilanz und die Cashflow-Ströme, stellen Sie einen digitalen Business Plan auf.
  • Machen Sie die strategische Wirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens „sichtbar“, insbesondere im Hinblick auf die Marktmechanik und den Lebenszyklus der Branche.
  • Wählen Sie ein risikoadäquates Finanzierungskonzept passend zur Digitalisierungsstrategie – je nachdem, ob es sich um eine graduelle Weiterentwicklung oder radiale Erneuerung Ihres Geschäftsmodells handelt.
  • Implementieren Sie quantitative und qualitative Kriterien zur Erfolgsmessung der Digitalisierung nach dem Motto „Was man nicht messen kann, kann man nicht lenken“.

Vor dem Hintergrund der sich durch die Digitalisierung ändernden Anforderungen der Kunden und der sich abzeichnenden Verschärfung der Regulatorik durch die Einführung von Basel IV, werden die Banken unvermeidlich ihre herausragende Rolle in der Unternehmensfinanzierung verlieren - die Digitalisierung forciert eine Angleichung an internationale Verhältnisse.
 
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Stephanie Meske
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