Anlässe, um die bestehende Führungsorganisation zu überprüfen und weiterzuentwickeln, können sehr unterschiedlich sein: In familiengeführten Unternehmen gibt ggf. die Frage nach der Unternehmernachfolge den Anstoß. Wie kann die Führung befähigt werden, einen Inhaber, der das Unternehmen möglichweise über Jahrzehnte geführt hat, zu ersetzen?
Aber auch die erforderliche Neubesetzung von wichtigen Führungspositionen oder strategische Anpassungsbedarfe des Unternehmens (Internationalisierung, Digitalisierung, Restrukturierung etc.) können die Führungsorganisationsfrage auf die Agenda bringen. Häufig liefert jedoch schlichtweg die Unzufriedenheit oder das „schlechte Bauchgefühl“ des Gesellschafterkreises/Aufsichtsrats/Beirats über die Gesamtentwicklung des Unternehmens den Impuls für eine führungsorganisatorische Veränderung.
Die Entwicklung einer „neuen Führungsorganisation“ ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die jedoch gerne unterschätzt wird. Diese zukunftsweisende Aufgabe ist in aller Regel auch sehr politisch – und daher emotional und heikel – und verlangt daher nicht nur Systematik, sondern auch „Fingerspitzengefühl“. Schließlich wird durch führungsstrukturelle Veränderungen nicht nur die Zukunftsentwicklung von Unternehmen beeinflusst, sondern es werden auch Karrieren gemacht - oder eben blockiert/beendet.
Der Entwicklungsprozess zur neuen Führungsorganisation, läuft meist in mehreren Interaktionsschleifen mit dem Gesellschafter-/Beiratskreis bzw. auf C-Level-Ebene ab. Auf Basis einer Bestandsaufnahme, bei der oftmals historisch gewachsene Auffälligkeiten oder auch nicht mehr adäquate strukturelle Lösungen und Schwächen aufgedeckt werden, beginnt die Zukunftsdiskussion.
Eine (zunächst möglichst personenunabhängige) „Top-Down-Alternativen-Diskussion“, wird an Hand von zu definierenden Kriterien systematisch bewertet und mit fortschreitendem Entwicklungsprozess in immer detailliertere Strukturen/Fragen heruntergebrochen. Das finale führungsorganisatorische Konzept mündet in einer Dokumentation, in der sämtliche
- Führungsstrukturen
- Führungsaufgaben
- Führungsverantwortlichkeiten
- Führungsschnittstellen und
- Führungskompetenzen
plausibel, in sich schlüssig, vollständig und schriftlich geregelt werden.
Die entsprechenden horizontalen und vertikalen Besprechungs-/Koordinationsregeln sind darauf aufbauend abzuleiten. Und ganz besonders wichtig: Die Anforderungsprofile an die Führungskräfte leiten sich aus der Führungsorganisation ab. Es ist zu klären, welche fachliche Qualifikation, welche Erfahrungen und welches Wissen erforderlich sind und welche Führungspersönlichkeit in welcher Führungsposition benötigt wird.
Mit einem Maßnahmen-, Kommunikations- und Zeitplan endet die konzeptionelle Aufgabe, bevor mit der Umsetzung einer neuen Führungsorganisation gestartet werden kann.
Führungsstil und Unternehmenskultur als Mobilisierungsverstärker
Die Führungsstile, die man in der Praxis heute vorfindet, sind immens vielfältig und vielschichtig: Am einen Ende steht ein Führungsverständnis der „alten Schule“: Stark hierarchisch und autoritär in Befehlslinien denkend werden von Vorgesetzten „Anweisungen gegeben“. Es wird genau geprüft, ob die Anweisungen befolgt werden und im Zweifel wird gegensteuernd „eingegriffen“. Mit den 3K „Kommandieren“, „Kontrollieren“, „Korrigieren“ lässt sich dieser Führungsstil sehr gut zusammenfassen. Auch wenn er heute nicht mehr als „modern“ und im Zeitalter der Generation Y schon gar nicht als „beliebt“ gilt, so ist er dennoch nach wie vor auch in erfolgreichen Unternehmen anzutreffen. Am anderen Ende des Spektrums steht der Laissez-faire Führungsstil, bei dem man die Dinge „laufen lässt“, mehr auf die Eigenmotivation der Mitarbeiter setzt und daran glaubt, dass ein Unternehmensbereich oder ein Team sich selbst steuert, organisiert und kontrolliert. Auch wenn dieser Führungsstil hin und wieder als realitätsfremd „belächelt“ wird, zeigt die Praxis, dass es auch erfolgreiche Organisationen gibt, die eher nach diesem Führungsverständnis agieren.
Zwischen diesen beiden Extremvarianten gibt es zahlreiche Zwischenstufen. In der Realität sind in einem Unternehmen oftmals in verschiedenen Bereichen parallel sehr unterschiedliche Führungsstile, die von einzelnen Führungskräften geprägt werden, vorzufinden. Bereichsübergreifende Führungskonflikte sind damit fast schon vorprogrammiert und von EINER Unternehmenskultur kann spätestens dann keine Rede mehr sein. Statt zum „Motivationsfaktor“ und „Mobilisierungsverstärker“ werden unternehmensübergreifend inkonsistente Führungsstile dann zu „Veränderungsverhinderern“.
In diesem Zusammenhang taucht dann auch die Frage nach der „gewünschten Unternehmenskultur“ auf und wer diese eigentlich vorgibt bzw. gestaltet? Hier wiederum sind in Familienunternehmen die Familienmitglieder bzw. deren Vertreter in Kontrollorganen und Führungspositionen gefragt: Welche Unternehmenskultur möchte man und welche nicht? Welche passt zum Unternehmen und wie wird sie zum Erfolgstreiber? Wie kann man die Kultur gestalten? Welche Führungskräfte sind „gewünschte Kulturträger“ und welche passen nicht?
Über methodisch valide Kulturanalysen lassen sich einzelne Kulturelemente z.B. in Bezug auf Leistungskultur, Kommunikationskultur, Entscheidungskultur oder Veränderungskultur in den verschiedenen Unternehmensbereichen messen. Darauf aufbauend können individuelle oder organisatorische Maßnahmen gezielt gestaltet werden, so dass Unternehmenskultur und Führungsstil auch wirklich zum „Menschen mobilisierenden Faktor im Hinblick auf das langfristige Unternehmensziel“ werden und nicht – ganz im Gegenteil – die Entwicklung des Unternehmens dauerhaft ausbremsen.
Wie auch immer die konkrete kulturelle Erfolgsformel im Einzelfall aussieht: Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Führungsstil im Zeitalter von Digitalisierung sich zukünftig vom aktuellen Führungsverständnis unterscheidet. Zu erwarten sind z.B.: noch mehr Transparenz und Offenheit, stärkere Kooperation und Partizipation, mehr Kommunikation, teilen von gemeinsamem Wissen und Erfahrungen und noch mehr Professionalität im Einhalten von Spielregeln.
Führungsinstrumente und -systeme: Lieber wenige gute als viele schlechteUm unternehmensübergreifend oder bereichs-/abteilungs-/funktionsspezifisch Ziele zu konkretisieren, Planungen zu detaillieren, Abweichungen genau zu messen, persönliche oder teambezogene Anreize zu setzen und über Kennzahlen zu steuern, sind in der Managementtheorie und in der Unternehmenspraxis eine unerschöpfliche Zahl an Führungsinstrumenten und Systemen entwickelt worden. Die ganze Fachdisziplin „Controlling“ befasst sich seit Jahrzehnten in allen Facetten mit diesem Thema und hat sich zum Ziel gesetzt, die Qualität der Unternehmensführung und -steuerung zu verbessern, in dem das Planen, Koordinieren und Kontrollieren stärker auf Fakten und weniger aus Vermutungen ausgerichtet wird. Im Zeitalter von Big Data und Smart Data stehen den Unternehmen auch nahezu unendliche Daten zur Verfügung, die in Abhängigkeit von systemtechnischen Lösungen ausgewertet und genutzt werden können.
Es mangelt erfahrungsgemäß in den Unternehmen heute nicht an Daten und auch nicht an Instrumenten/Systemen. Im Gegenteil: Im Allgemeinen wird eher ein zu viel an Daten und ein zu viel an Tools beklagt, deren Anwendung nicht nur wertvolle Managementzeit kostet (zu aufwendiger Input), sondern deren Nutzen auch oft kritisch bewertet wird (zu geringer Output).
Wie kann das passieren, wenn doch alle davon überzeugt sind, dass moderne Führung auf Zahlen, Daten und Fakten basieren muss?
Das Problem ist vielschichtig und muss unternehmensindividuell betrachtet werden. Immer wieder vorzufinden sind folgende Probleme:
- historisch gewachsene, unlogische Datenstrukturen
- Medienbrüche
- komplizierte Tools in inkonsistenten Strukturen und Zeitraumbetrachtungen
- abteilungs-/funktionalindividuelle Lösungen statt ganzheitliche, integrierte Systeme
- zu viele Daten statt echte, entscheidungsrelevante Informationen
- zu komplexe Instrumente, die die Organisation überfordern und daher abgelehnt werden
- zu komplizierte Anwendungen
- Reportingstrukturen und Berichtswesen stimmen nicht mit dem Bedarf überein
Diese Probleme führen dann dazu, dass Dinge festgestellt, aber nicht abgestellt, Dinge gemessen, aber nicht verändert werden. Und: sie werden schon gar nicht im Hinblick auf die strategische Zielerreichung abgeglichen, was ja die eigentliche Aufgabe von Führung und damit auch von Führungsinstrumenten und -systemen sein sollte.
Es empfiehlt sich beim Verdacht, dass solche Schwierigkeiten auch im eigenen Unternehmen vorliegen könnten, mit einem kritischen Blick von außen die vorhandenen Führungsinstrumente, deren jeweiligen Einsatzfelder sowie deren Aufwand und Nutzen einem Audit zu unterziehen. Je nach Audit-Ergebnis können dann nur punktuelle Anpassungen oder ggf. auch umfassende Neukonzeptionen erforderlich sein.
Wichtig ist immer, dass die Führungsinstrumente maßgeschneidert auf die Branche und das Unternehmen im Hinblick auf die wirklich relevanten KPI ausgerichtet sind, mit den richtigen Reportingstrukturen und -prozessen hinterlegt sind und einem ganzheitlichen klaren Konzept i.S.e. strategisch relevanten Management-Cockpits folgen.
Da immer wieder festzustellen ist, dass in mittelständisch strukturierten Unternehmen zu viele oder auch nicht passende Führungsinstrumente isoliert im Einsatz sind, kann man als Fazit festhalten: Lieber hat man weniger und dafür wirklich gute Führungsinstrumente als viele und womöglich auch noch schlechte Führungsinstrumente, die keinen wirklichen Mehrwert für die „Motivation und Mobilisierung von Menschen zur langfristigen Zielerreichung des Unternehmens“ haben.
Führungspersönlichkeit – Manager oder Leader?
Neben Führungsorganisation, Führungsstil und Führungsinstrumenten spielen natürlich die Führungspersönlichkeiten eine ganz entscheidende Rolle, um Unternehmen zu gestalten, zu verändern und Menschen für ein gemeinsames Ziel in Bewegung zu bringen. Die Diskussion, ob Führung in diesem als „Führungspersönlichkeit“ verstandenen Sinne erlernt werden kann oder sozusagen eine „Begabung“ ist, die der eine eben hat und der andere nicht, ist schon sehr alt. Wie auch immer man dazu steht, es ist unumstritten, dass eine Führungspersönlichkeit mehr benötigt als fachliche Kompetenzen. Doch welche Führungspersönlichkeit ist gefragt?
Auf der einen Seite steht der Typ „Manager“, der organisiert, plant, kontrolliert und in diesem Sinne das Unternehmen verwaltet. Den Gegenpol bildet der Typ „Leader“, der visionär inspiriert, motiviert und so Kreativität, Innovations- und Schaffenskraft im Unternehmen ankurbelt und zur Gestaltung und Veränderung beiträgt.
Man kann sich vorstellen, dass aus dem perfekten Verwalter niemals ein echter Leader wird und umgekehrt, dass ein Leader wahrscheinlich niemals ein sehr guter Verwalter sein kann. Alle Versuche, Persönlichkeiten von der einen in die andere Ecke zu bringen, gleichen wahrscheinlich eher einem Verbiegen der Persönlichkeit und sind daher wenig erfolgversprechend.
Gleichzeitig wird es aber auch wenig Sinn ergeben, nur den einen Typen zu forcieren und auf den anderen zu verzichten – beide Führungsfähigkeiten werden in der Regel parallel in Unternehmen gebraucht. Insofern verbietet sich auch ein pauschales Urteil darüber, welcher Typ die „bessere“ Führungspersönlichkeit ist. Die Frage ist doch vielmehr, wieviel von welchem Ausmaß an Führungspersönlichkeiten braucht ein Unternehmen in seiner ganz spezifischen Branchen- und Unternehmenssituation?
Und an dieser Stelle schließt sich der Kreis: Die jeweilige Persönlichkeit muss zur definierten Führungsorganisation passen, wird mit ihrem Führungsstil maßgeblich die Unternehmenskultur prägen, über den Einsatz von Führungsinstrumenten und -systemen entscheiden und durch das persönliche Verhalten direkt wie indirekt die Menschen beeinflussen und motivieren, um das Unternehmensziel zu erreichen und die Strategie umzusetzen.
Insofern bleibt Führung bei allem Methoden- und Technologieeinsatz immer eine Aufgabe von Menschen, von Führungskräften, die andere Menschen in Bewegung bringen und Wandel generieren. Der Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen ist daher primär immer auch mit einer erfolgreichen oder nichterfolgreichen Führung verknüpft. Und genau da wird es in der heutigen, durch hohe Dynamik gekennzeichneten Zeit, sehr spannend: Führung bedeutet heute mehr denn je die Organisationen zu verändern und den Wandel zu gestalten.
Change Management als Kernkompetenz der Führung
Change Management ist heute in aller Munde. Das Verständnis jedoch, was genau Change Management sein soll, ist sehr unterschiedlich. Wir begreifen Change Management als „Management des Wandels“ – es geht also darum, Veränderungen in Organisationen auf das Ziel der jeweiligen Organisation hin auszurichten. Dies zeigt schon, wie eng die Begriffe Führung (siehe oben) und Change Management in unserem Verständnis beieinander liegen. Man kann den Unterschied so erklären: Je weiter dieses Zielbild vom heutigen Bild abweicht, desto größer muss der Wandel sein. Je dynamischer sich das Umfeld der Organisation verändert, desto schneller muss der Wandel erfolgen. Tempo und Ausmaß des Wandels bedingen demnach die Intensität des Change Management. Unternehmen, bei denen Tempo und Ausmaß der Veränderung groß sind, brauchen ein intensives Management des Wandels. Führung ist dann quasi mit Change Management gleichzusetzen. Unternehmen, bei denen das Tempo und Ausmaß der Veränderung gering ist, müssen sich auch nicht so stark verändern – sie brauchen also nicht unbedingt ein ausgeprägtes Change Management – aber dennoch Führung.
Ein Blick in die heutige Unternehmenspraxis zeigt sehr klar, dass angesichts der digitalen Revolution, einer immer internationaler und vernetzter agierenden Welt und angesichts immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen, immer mehr Unternehmen eine schnelle Wandelfähigkeit benötigen, um auch morgen noch erfolgreich im Wettbewerb bestehen zu können. So gesehen muss das „Management des Wandels“, das Change Management, zu einem zentralen Erfolgsfaktor und zu einer Kernkompetenz vieler Unternehmen werden. Das „sich regelmäßig neu erfinden“ ist Change Management und Aufgabe der Führung zugleich. So gesehen kann Führung immer mehr als Synonym von Change Management begriffen werden.
Nichtsdestotrotz kommen unter der Überschrift Change Management auch immer öfters individuelle Methoden zur Anwendung, die der Führung helfen können, den Wandel in der Organisation positiv zu unterstützen: Erfassen und Aufbrechen von Widerständen und Veränderungsbarrieren, aufdecken und beseitigen von Kommunikationsfallen, Installation von Change Managern/Moderatoren etc. Repertoire und Tools gibt es viele. Auch hier gilt die Erfahrung: Der Change Management-Ansatz muss maßgeschneidert sein. Nicht jedes Change-Management-Tool passt zu jedem Unternehmen.