Was sind die angesagten Themen in der Möbelbranche im Jahr 2022? Auf einer Skala von 1-10: Welche Trends scheuchen die Player aus ihrer Komfortzone, welchen „Impact“ haben sie auf die Branche?
Branchenexperte Dr. Timo Renz von Dr. Wieselhuber & Partner (W&P) wagt eine Prognose – im Trendometer 2022.
Engpass Lieferkette und Warenversorgung - IMPACT 10
Laut Ifo-Umfragen leiden fast alle Möbelhändler unter Lieferproblemen und sie erwarten, dass diese Versorgungslücken noch über 12 Monate (!) andauern. Und auch die Entscheider der Industrie rechnen nicht mit einer kurzfristigen Entspannung der Lage – selbst wenn das ein oder andere Vormaterial-Lager als kurzfristige Gegenmaßnahme wieder aufgefüllt werden konnte. Damit ist der Möbelsektor in Deutschland (neben Fahrrädern, Unterhaltungselektronik und DIY) eine der konsumnahen Branchen, die am stärksten von den corona-bedingten und global anhaltenden Logistik- und Lieferengpässe betroffen ist. Was wir vor einem Jahr noch als „Seiltanz zwischen Effizienz und Flexibilität“ beschrieben haben, ist inzwischen zu einem fundamentalen Versorgungsproblem oder zumindest zu einem echten Kostenproblem angewachsen. Es geht also ans Eingemachte für die Zulieferer, die Möbelproduzenten und den Möbelhandel. Strategische Grundsatzfragen zu Wertschöpfungsstruktur, Standorten und Lieferanten der Zukunft müssen aus Sicht der Industrie gestellt werden. Einige Händler werden das gegebenenfalls auch zum Anlass nehmen, weniger auf asiatische Containerware und mehr auf europäische Hersteller zu setzen. Aber auch operative Spielregeln zu Bestandsmanagement und Pricing müssen zwischen den beteiligten Parteien in der Branche weiterentwickelt werden. Die Digitalisierung spielt auch weiter eine tragende Rolle, wenn es darum geht Prozesse unternehmensweit schlank und fit zu machen, um so den steigenden Material- und Logistikkosten entgegenzuwirken.
Konsequente Nachhaltigkeit im gesamten Geschäftsmodell - IMPACT 9
Das Thema Nachhaltigkeit ist durch die Pandemie zunächst medial in den Hintergrund gerückt. Gleichzeitig haben die meisten Unternehmen den gesellschaftlichen und politischen Druck sowie die zunehmende Wichtigkeit für den Endverbraucher erkannt und zahlreiche Initiativen und konkrete Maßnahmen in diese Richtung gestartet. Für echte Nachhaltigkeit in der Möbelbranche reichen einzelne Projekte jedoch nicht. Die Dimensionen „Planet, People und Performance“ müssen konsequent angegangen werden. Umweltfaktoren (Planet) sind z.B. nachhaltige Praktiken in der der Rohstoffgewinnung (inkl. Recyclinganteilen), Verringerung des Wasserverbrauchs in der Produktion oder die Reduktion von Verpackungsabfällen. In der Dimension „People“ stehen insbesondere die sozialen Standards in der Produktion im Fokus der Öffentlichkeit - und sie sollten es demnach auch bei den Unternehmen. Ökonomische Performance ist die Grundlage, um nachhaltig am Markt vertreten zu sein. Nur so sind Unternehmen krisenresistent und Investitionen in die kontinuierliche Verbesserung des Geschäftsmodells möglich.
Strategy is back – Renaissance der Strategie - IMPACT 8
In Zeiten des Corona-Nebels war das Agieren der Möbelproduzenten und -händler notwendigerweise charakterisiert durch ein „Fahren auf Sicht“. Trotz der weiter anhaltenden Epidemie-Situation stellen wir aktuell eine Wende fest: Zukunftsstrategien und die langfristige Ausrichtung des Unternehmens stehen bei Herstellern und Händlern wieder ganz oben auf der Top-Management-Agenda. Die Sehnsucht nach langfristiger Zielbildung und Sicherheit ist groß wie nie. Neben dieser emotional verständlichen Triebfeder, sind aber auch faktische Veränderungstreiber wie (1) Verschiebungen im Markt- und Wettbewerbsumfeld, (2) das neue Konsumentenverhalten im New Normal, die (3) Digitalisierung und (4) Nachhaltigkeit als mächtige Megatrends sowie nicht zuletzt das Thema (5) Rohstoffbeschaffung und Lieferkette der Grund dafür, sich gerade jetzt mit diesen strategischen Grundsatzfragen auseinander zu setzen. Plötzlich werden die folgenden Fragen in den Chefetagen wieder diskutiert: Für was stehe ich und wo möchte ich hin? Was ist eigentlich eine Strategie (und was nicht)? Wer ist für die Strategie verantwortlich? Wie entwickelt man eine gute Strategie? Wie setzt man eine Strategie erfolgreich um? Diejenigen, die nicht nur fragen, sondern für sich auch konzeptionelle Antworten finden, werden auf Dauer mehr Erfolg haben als diejenigen, die glauben, strategische Defizite mit operativem Fleiß ausgleichen zu können. Strategy is back! Das ist gut so.