Neue Geschäfte richtig erschliessen: Neue Länder, Produkte und zivile Märkte
Welche Möglichkeiten bieten sich unter den o.g. Restriktionen? Die Wachstumspotenziale im Ausland sind zwar grundsätzlich gegeben, allerdings sind die genannten Rahmenbedingungen des BAFA zu beachten. Gerade die Wachstumsmärkte in Indien, Südost Asien und im Mittleren Osten sind aufgrund vielfältiger Bedingungen nicht immer leicht zu erschließen und auch der weltgrößte Rüstungsmarkt, die USA, steht vor Einschränkungen hinsichtlich der eigenen Beschaffungspolitik.
Auf der anderen Seite bieten sich der Verteidigungsindustrie produktseitig eine Reihe von Chancen: In den traditionellen Märkten mit innovativen Produkten, die infolge der geänderten Bedrohungsszenarien an Bedeutung gewinnen (z.B. unbemannte Systeme, sogenannte UAVs – Unmanned Aerial Systems, C4ISR – Command, Control, Communications, Computers, Intelligence, Surveillance and Reconnaissance).
Auf der anderen Seite ist schon seit Jahren von sogenannten Dual Use-Anwendungen bzw. Produkten für die zivilen Märkte die Sprache. Naheliegend sind Produkte für die zivile Luftfahrt. Doch bei der Orientierung hin zu anderen zivilen Märkten (z.B. Sicherheitstechnik, opto-elektronisches Equipment) sind immer wieder Schwierigkeiten zu beobachten: Die teilweise völlig neuen Herausforderungen setzen den einen oder anderen Player vor unüberwindlich scheinende Hindernisse. Fazit: Auch die Rüstungsmärkte bieten immer wieder neue Chancen, doch wie müssen sich die Unternehmen der Branche am besten aufstellen, um diese gezielt zu erschließen?
Die strukturelle Organisation folgt der Strategie
Die Strategie gibt die Richtung vor. Vor allem wenn Verteidigung und zivile Märkte unter einem Dach bearbeitet werden sollen, kommt es häufig zu nicht unerheblichen Friktionen in der Organisation: Lobbying trifft auf klassische Vertriebsarbeit, die Denkweise in beiden Geschäften ist grundverschieden, die Geschwindigkeit der Märkte unterscheidet sich, die eingesetzten Technologien und die ihnen zugrunde liegenden Vorschriften sowie die Entwicklungsansätze weichen erheblich voneinander ab.
Im Hinblick auf die Kosten ist jedes Unternehmen bemüht, Redundanzen zu vermeiden. Allerdings hat sich in vielen Praxisbeispielen heraus gestellt, dass nur diejenigen Unternehmen wirklich erfolgreich sind, welche die Geschäfte Defense und Zivil klar voneinander trennen. Ob diese Trennung entlang der gesamten Wertschöpfungskette, vom Front End bis zum Back End erfolgen muss, hängt von jedem Einzelfall ab. Auch noch so viel eingesparte Kosten sind nutzlos, wenn die Bedürfnisse der zivilen Märkte weder zeitlich, noch preislich getroffen werden. Gerade für Unternehmen, die auf beiden Märkten aktiv sind, oder aktiv sein wollen, ist die richtige organisatorische Ausrichtung eine entscheidende Komponente zur Sicherstellung des Markterfolges.
Effizienz- und Produktivitätsverbesserungen sind entscheidende Hebel
Die gestiegene Preissensibilität der Beschaffungsämter trägt schon seit Jahren einen starken Kosten- und Effizienzdruck in die Unternehmen der Rüstungsbranche. Selbst die teuren Entwicklungsleistungen werden im zunehmenden Maße auf die Industrie abgewälzt. Für die zivilen Märkte gilt dies umso mehr, da die Wettbewerbslandschaft in vielen Fällen vielfältiger und aggressiver ist. Neue Stichworte, wie das der „Affordable Products“ zeigen, wohin die Reise noch gehen wird. Seit in der Zeit nach der Wende der deutsche Rüstungshaushalt massiv reduziert wurde, sind diese Tendenzen nicht neu. Doch haben sie wirklich schon zu den erforderlichen Konsequenzen und zu dem erforderlichen Niveau der Veränderungen geführt? In vielen Fällen herrscht noch Nachholbedarf.
Die Prozesse müssen entlang der gesamten Wertschöpfung optimiert und auf Effizienz und Produktivität getrimmt werden. Beispiel Forschung & Entwicklung (F&E): Die Vielzahl an Budget-/Kosten- und Zeitüberschreitungen bei Produktentwicklungen spricht Bände. Auch muss die Frage legitim sein, ob moderne Methoden, wie z.B. Agile Engineering und Systems Engineering schon durchgängig Einzug gehalten haben? Denn Agile & Lean Engineering sind heute ein Muss. Vielen Rüstungsunternehmen fällt es schwer, neue, zivil schon längst genutzte Technologien schnell zu adaptieren. Die Produktlebenszyklen der Defense-Produkte stehen einer raschen Anpassung an den technischen Fortschritt massiv im Wege.
Alle Prozesse, vor allem aber der F&E-Prozess sollten einer gründlichen Standortbestimmung und einer zielorientierten Optimierung unterworfen werden. Hier Potenziale zu verschenken macht nicht nur eine Flanke im traditionellen Geschäft auf, sondern steht auch einer erfolgreichen Erschließung ziviler Märkte entgegen.
Die Wettbewerbslandschaft wird sich verändern
Infolge der Emerging Markets wird sich für einzelne Produktgruppen auch die Wettbewerbslandschaft ändern. Die Forderungen nach Offsets bzw. Local Content führt zwangsläufig dazu, dass lokale Anbieter an Knowhow gewinnen. Die Gefahr neuer Wettbewerber ist bei einfacheren elektro-mechanischen Produkten sicherlich größer als bei hochkomplexen ISR-Systemen. Allerdings sollte die Lernfähigkeit insbesondere der asiatischen Anbieter bzw. Kooperationspartner nicht unterschätzt werden. Vor allem die niedrigeren Kostenstrukturen werden für das eine oder andere Beschaffungsamt zu einer Versuchung werden.
Im klassischen Rüstungsgeschäft wird es auch in Zukunft zu einer weiter voranschreitenden Konsolidierung kommen. Die Unternehmen werden entweder auf der Kauf- oder Verkaufsseite ihr Produkt-/Leistungsportfolio weiter optimieren. Die nachhaltigsten Änderungen werden jedoch dann auftreten, wenn die Unternehmen verstärkt in die zivilen Märkte eintreten, wo Preis- und Wettbewerbsdruck schon seit Jahrzehnten zu Standardmechanismen zählen. Fakt ist, die Wettbewerbslandschaft wird sich weiter verändern. Um auch zukünftig vorne mit dabei zu sein, müssen die Unternehmen intelligente Lösungen auf die Herausforderungen im Branchenumfeld Defense finden.
Zusammenfassend kann festgehalten werden: Die Verteidigungs-/Rüstungsindustrie steht vor einer ganzen Reihe von Herausforderungen, allerdings weist sie bei einigen Reaktionsfeldern noch geringe Erfahrungen auf.