W&P Kommentar
München, 17.08.2023

Grün oder Schwarz: Nachhaltiges Management des Geschäftsfeldportfolios

Kommentar von Dr. Stephan Hundertmark, Partner und Nikolas Kasprzak, Manager bei Dr. Wieselhuber & Partner
Dr. Stephan Hundertmark
Partner 

Nachhaltiges Unternehmertum ist immer auch Wandel und Veränderung. Selbstverständlich wird in attraktive Geschäftsfelder für künftiges Wachstum investiert und wenig dynamische Geschäftsbereiche geraten aus dem Fokus. Attraktivität bemisst sich dabei – auch das eine kaufmännische Binsenweisheit – am künftigen Kundeninteresse und wachsender Nachfrage. Von einem individuellen Erfolgsfaktor zu einer unternehmerischen Notwendigkeit wird es dann, wenn neben Veränderungen in Märkten auch regulatorische Vorgaben die Zukunftsfähigkeit von Geschäftsfeldern beeinflussen.

So stellt sich mit dem Green Deal in Europa und dem globalen Megatrend der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitswende ganz konkret die Frage, welche Geschäftsfelder langfristig attraktiv sind und welchen früher oder später die Nachfrage und Tragfähigkeit abhandenkommt. Neu ist zusätzlich, dass der Nachfragerückgang in vielen Branchen anders als in vergangenen Boom-Jahren dafür sorgt, dass unattraktive Geschäftsfelder schneller zu Verlustbringern werden.
Das Management ist also aufgefordert, die heutigen Geschäftsfelder kritisch hinsichtlich ihrer Zukunftsfähigkeit zu beurteilen. Dafür ist zuerst eine geeignete Segmentierung notwendig, aus der sich Kriterien zur Attraktivität und Zukunftsfähigkeit ableiten lassen. Dabei ist die Nachhaltigkeitswende DER globale Megatrend, der viele Branchen fundamental verändern wird.

Grün oder Schwarz – Segmentierung der Geschäftsfelder
Grüne Geschäftsfelder haben eine Zukunft, da sie auf Produkte und Lösungen setzen, die hinsichtlich ökologischer und sozialer Kriterien auch langfristig ökonomisch attraktiv sind und über Innovationen Differenzierungs- und Wachstumschancen bieten. Schwarze Geschäftsfelder sind in der Konsequenz solche, die aufgrund ihrer Wertschöpfung oder dem Produktdesign vom Markt nicht mehr nachgefragt oder vollständig durch alternative Lösungen substituiert werden. Eindrückliche Beispiele sind das Quasi-Aus des Verbrennermotors im PKW ebenso wie Einwegprodukte überall dort, wo Kreislauflösungen langfristig ökonomisch und ökologisch die bessere Wahl sind.

Zur Beurteilung, ob ein Geschäftsfeld „grün“ oder „schwarz“ ist, braucht es notwendigerweise harte Kriterien. Regulatorische Vorgaben, beispielsweise zu kreislaufgeführten Rohstoff en und Recyling-Anteilen bis hin zu Verboten, sind unbeachtlich einer möglicherweise diskussionswürdigen Begründung, belastbare Entscheidungsgrundlagen für Unternehmen.

Gleiches gilt für die Bepreisung von Treibhausgasemissionen als eines der wirksamsten Anreizinstrumente, um eben diese zu reduzieren. Es darf davon ausgegangen werden, dass die Ausweitung der CO2-Bepreisung sukzessive weitere Industriezweige und Produkte betrifft. Über den Product Carbon Footprint kommen diese CO2-Preise dann auch in den Herstellungskosten an und machen Produkte teurer als nachhaltige, grüne Lösungen. Schon heute können also künftige Preise bestimmt werden und mit weniger emissionsintensiven Alternativen zur Beurteilung der Zukunftsfähigkeit verglichen werden. Können Produkte dann aufgrund der Herstellungsverfahren, über lock-in-Effekte in Anlagentechnologien oder Rohstoffklassen nicht nachhaltig weiterentwickelt werden, sind diese als „schwarze“ Geschäftsfelder zu betrachten.

Abschließend behalten alle „klassischen“ Attraktivitätskriterien auch in einer nachhaltigen Segmentierung von Geschäftsfeldern ihre Gültigkeit. So gilt es zu beurteilen, welche Marktsegmente langfristig wachsen werden und welche Innovations- und Differenzierungschancen bieten. Letzteres ist sicher weit häufiger in grünen Segmenten gegeben, die den Megatrend Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft adressieren.

Umsetzung im Management des Geschäftsfeldportfolios
Das Management des Geschäftsfeldportfolios ist eine kontinuierliche und langfristige Aufgabe im Unternehmen. Entsprechend geht es bei der Umsetzung auch nicht um aktionistische Entscheidungen und falsche Konsequenz, die der heutigen Tragfähigkeit mehr schaden, als es der Fokussierung auf attraktive Geschäftsfelder der Zukunft dient. Gerade mittelständische und Familienunternehmen agieren hier mit Weitsicht und Ausdauer.

Zur Umsetzung einer „grünen“ und „schwarzen“ Geschäftsfeldsegmentierung braucht es zur Bewertung der vorgenannten Kriterien eine fundierte strategische Marktforschung, die explizit auch das regulatorische Umfeld mit einbezieht. Weiter sind Veränderung von Kundenpräferenzen und Kaufkriterien sowie neue Entscheidungsbeteiligte zu erfassen. Hier liefern Kundenbefragungen und Experteninterviews die nötigen belastbaren Einschätzungen für die Bewertung der Geschäftsfelder.
Da auch strategische Überlegungen zur Geschäftsfeldsegmentierung nie alternativlos sind, gilt es zuletzt verschiedene szenariobasierte Alternativen zur Geschäftsfeldentwicklung aufzustellen. In Abhängigkeit der Szenario- Ausprägungen sind Investitionsbedarfe, Ertragspotenziale und Risikoabschätzungen aufzustellen. Auf der Basis kann dann abschließend eine Aufteilung in grüne und somit nachhaltig zukunftsfähige Geschäftsfelder und schwarze Auslaufmodelle erfolgen.
Bleibt zuletzt die Frage, wie mit den schwarzen Geschäftsfeldern umzugehen ist. Sofern keine akute Krisen- und Verlustsituation vorliegt, ist meist ein sukzessives Zurückfahren der Aktivitäten bis zum endgültigen Ausstieg sinnvoll. Ungleich aufwendiger ist ein Carve-out, um die Geschäftssegmente abzuspalten und typischerweise zu verkaufen. Mit aller Konsequenz verfolgt, können über diesen Weg jedoch weit schneller Freiheitsgrade geschaffen werden, um die „grünen“ Geschäfte nachhaltig zu entwickeln.

Fazit: Die Nachhaltigkeitswende macht ein aktives Management des Geschäftsfeldportfolios notwendig. Für Familienunternehmen und deren Management gilt es zu bestimmen, welche „grünen“ Geschäftsfelder zukunftsfähig sind und welche „schwarzen“ Bereiche keine Zukunft für das Unternehmen haben. Gut beraten ist, wer diese Gestaltungsaufgabe selbstbestimmt angeht und nicht durch zu spätes reagieren vom Markt abgehängt wird oder die eigenen Freiheitsgrade an Dritte verliert.
 
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